Ab Anfang nächsten Jahres ist Schluss mit dem massenhaften Töten männlicher Küken in Deutschland. Der Bundestag hat am Abend einem entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesagrarministerin Julia Klöckner zugestimmt, der das Kükentöten ab 2022 verbietet. Stattdessen sollen Verfahren zum Einsatz kommen, mit denen sich das Geschlecht schon im Ei bestimmen lässt. Ein Team um Forscherin Professorin Dr. Helene Dörksen an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe hat so eine Methode, die die Geschlechtsbestimmung im Ei schon zwischen Tag 3 und 6 möglich macht, entwickelt und bereits zum Patent angemeldet.
Männliche Küken legen keine Eier und setzen weniger Fett an. Deshalb sind sie für die Geflügelwirtschaft uninteressant und landen im Schredder. So sterben jedes Jahr rund 45 Millionen männliche Küken. Forscherinnen und Forscher sind deshalb schon lange auf der Suche nach einer Methode, um das Geschlecht der Küken schon im Ei zu bestimmen. Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für industrielle Informationstechnik (inIT) der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und der Hochschule Coburg ist das gelungen: „Im Ei entstehen unterschiedliche Mengen von geschlechtsspezifischen biologischen Komponenten bei männlichen und weiblichen Küken, die leuchten wir durch ein winziges Loch in der Eischale mit einem Laser an. Anhand der Intensität des Lichtes, das sie zurückwerfen, können wir das Geschlecht des Embryos im Ei bestimmen“, sagt Mathematikerin Prof.‘in Dr. Helene Dörksen. In der Wissenschaft heißt dieses Verfahren Fluoreszenzspektroskopie und kommt ursprünglich aus der Analytischen Chemie. „Man weiß schon lange, dass viele organische und nichtorganische Stoffe auf natürliche Weise unterschiedlich leuchten“, erklärt Professorin Dörksen. „Dieses unterschiedliche Leuchten kann man in gemessenen Spektren sehen und analysieren.“
Interdisziplinäre Forschung führt zum Erfolg
Die Messmethode hat Prof. Dr. Jürgen Krahl, Präsident der TH OWL, und vormals Vorstandssprecher des Technologietransferzentrums Automotive Coburg (TAC) vor einigen Jahren entwickelt. Sie dient ursprünglich als Sensor zur Kraftstofferkennung, mit dem sich Fehlbetankungen vermeiden aber auch Verbrennungsoptimierungen erzielen lassen. Der treibende Gedanke war, durch Bio- und synthetische Kraftstoffe CO2 zu sparen. Das gelingt, wenn der Motor erkennt, was im Tank ist. Seine Idee war es schon vor Jahren, die Methode auch auf Hühnereier anzuwenden.
„Der Hühnereiersensor ist ein Paradebeispiel für gelebte Interdisziplinarität, die sehr oft ungeplant zu überraschenden Ergebnissen führt. Ich hätte nie geahnt, dass sich der Kreis über unsere Forschungen an Biodiesel aus Raps beim Hühnereiersensor – und damit quasi in der Landtechnik – schließt“, sagt Prof. Dr. Jürgen Krahl. „Im Arbeitskreis am TAC arbeiteten Promovierende aus den Bereichen Maschinenbau, Physik, Bioanalytik, Elektrotechnik und Chemie interdisziplinär an nachhaltiger Mobilität. Aber erst die exzellente mathematische Expertise meiner Kollegin Frau Dörksen brachte den Durchbruch. Das hätten wir nicht ohne sie geschafft.“
Jens Staufenbiel, seinerzeit Doktorand am TAC, hat die Messungen an Hühnereiern mit dem Laser vorgenommen und die Daten an Mathematikerin Professorin Dr. Helene Dörksen weitergegeben. Sie hat darauf aufbauend einen Algorithmus entwickelt, der auf die Analyse der Daten aus den Hühnereiern zugeschnitten ist. „Mit Hilfe der Mathematik können wir aus den Daten die wichtigen Informationen heraussuchen. Der Algorithmus ermittelt dann, welches Geschlecht sich aus den Informationen ableiten lässt“, erklärt Professorin Dörksen. Gemeinsam mit Jens Staufenbiel und Jürgen Krahl hat sie die Methode als Patent angemeldet. Im vergangenen Jahr hatte die TH OWL Bundesagrarministerin Julia Klöckner sowie NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser das besonders schnelle und schonende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei bereits vorgestellt.
Der entscheidende Vorteil gegenüber bereits bekannten Methoden: Die Fluoreszenzspektroskopie funktioniert schon bei 3 bis 6 Tage alten Hühnereiern, wobei die Messung durch die Eihaut erfolgt. „Zu diesem frühen Zeitpunkt hat der Embryo noch kein Schmerzempfinden. Bei anderen Verfahren muss das Ei außerdem komplett geöffnet werden, wir brauchen lediglich ein etwa 2 Millimeter großes Loch in der Kalkschale“, erklärt Professorin Dörksen. „Der Laser dringt nicht tief ins Ei ein, sondern nur oberflächlich und ganz kurz – wir sprechen hier von Nanosekunden, die nicht wahrnehmbar sind“, so die Mathematikerin. „Mathematik wird immer als sehr abstrakt wahrgenommen – dieses Verfahren zeigt, dass man aus einer Methode eine konkrete Anwendung erarbeiten kann, die nicht nur im Labor funktioniert, sondern praxistauglich ist. Das ist für mich persönlich ein großer Erfolg. “
Bild- und Textquelle: Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe